Um die Bewohner und Einrichtungen des Palastes mit Wasser zu versorgen, ließen die Erbauer einen großen Brunnenschacht im Nordwestbereich des Palastes anlegen. Zugang zu dem Brunnenraum U, welcher direkt auf der Oberfläche des Felsplateaus angelegt worden war, ermöglichte wahrscheinlich der Gang K, in dem eine Treppe existiert haben muss, um die fast 5 m Höhenunterschied zum Hauptgeschoss des Palastes zu überwinden. In Raum U, der somit von den hohen Fundamentmauern seiner höher gelegenen Nachbarräume bzw. den Außenmauern des Palastes umgeben war, wurde ein an der Oberkante etwa 9 m im Quadrat messender Schacht senkrecht in den Fels getrieben. Dabei ließen die Steinmetze an den Seiten des Schachtes rundum laufende Absätze im Fels stehen, um den Zugang zum Brunnen zu ermöglichen. Auf diesen Absätzen wurde, an der Ostseite beginnend, eine gegen den Uhrzeigersinn absteigende Treppe aus schweren Basaltstufen angelegt.
Der etwa 14 m tiefe Brunnenschacht war zu Beginn der Ausgrabungen ebenso wie der Raum U vollkommen mit Schutt angefüllt, so dass es von 2000 bis 2009 zehn Ausgrabungskampagnen bedurfte, um an seinen Grund zu gelangen. Diese Mühen wurden jedoch durch die außergewöhnlichen Funde reichlich belohnt. In den oberen Bereichen der Verfüllung konnten etwa 3000 Fragmente von Wandmalereien geborgen werden, die mit den Mauern des benachbarten Raumes N nach der Zerstörung des Palastes in den Raum U gestürzt waren. Sie konnten zum Teil in langwieriger Arbeit wieder zusammengesetzt werden.
Ein Großteil der Verfüllung bestand jedoch aus Lehmziegelschutt, wobei oftmals noch große Mauerstücke im Verband angetroffen wurden, die als Ganzes in den Schacht gestürzt waren. Manche der Mauern trugen deutlich sichtbare Spuren des Brandes, welcher den Palast verheerte. Auf einem der Treppenläufe, die nach und nach zum Vorschein kamen und im Laufe der Ausgrabungen restauriert wurden, befand sich ein Basaltbecken von 72 cm Durchmesser, das mitsamt einem 1,38 m langen Ausguss aus einem Stück gefertigt war. Es scheint, als ob es aus dem Brunnenschacht, wo es einst installiert gewesen sein mag, wieder hinaufgeschafft werden sollte, wegen seines Gewichts dann aber doch liegen blieb. In ca. 13 m Tiefe (vom Fußboden des Raumes F aus gerechnet) wurden das erste Mal Reste von Holzbrettern und -balken angetroffen, die teilweise verbrannt und verkohlt waren. Nur etwa einen Meter darunter wurde das Erdreich im Brunnenschacht auf einmal feucht. Diese Feuchtigkeit ermöglichte eine der ungewöhnlichsten Entdeckungen in Qatna: Dicht an dicht wurden die Reste diverser hinabgestürzter Holzkonstruktionen freigelegt.
Unter Felstrümmern und verstürzten Holzbalken eingeschlossenes Keramikgefäß am Fuß des Brunnenschachts (Foto: QT)
Die etwa 200 Holzteile,mächtige runde wie eckige Balken, Bohlen, Bretter und vieles mehr waren als Feuchtholz über mehr als drei Jahrtausende bewahrt geblieben, wobei nur einige von ihnen außen verkohlt, die meisten jedoch nahezu unversehrt waren. Sie stellen den bislang größten Fund von Feuchtholz im allgemein trockenen westlichen Asien dar. Nachdem die Holzteile in ihrer Fundlage mit einem 3D-Scanner des Instituts für Raumbezogene Informations- und Messtechnik (i3mainz) der Fachhoschule Mainz dokumentiert und nach und nach geborgen worden waren, wurde unmittelbar vor Ort mit ihrer Einlagerung und Konservierung begonnen. Sie stellen einzigartige Dokumente der Zimmermannskunst im bronzezeitlichen Syrien dar und werden in Zukunft hoffentlich die Rekonstruktion der ehemals aus ihnen bestehenden Konstruktionen ermöglichen.
Noch unter den Holzbalken wurden mehrere herabgestürzte Basaltstufen der Treppe entdeckt. Noch wichtiger sind aber die Funde, die unmittelbar mit der Nutzung des Brunnens in Zusammenhang stehen. So wurden eine Bronzeschale sowie mehrere Tongefäße, die wohl einst zum Wasserschöpfen dienten, geborgen. Eines von ihnen war wunderbarerweise, von einem verkeilten Holzbalken geschützt, unbeschädigt bewahrt geblieben. Daneben gab es auch Anzeichen dafür, dass man schon vor der Zerstörung des Palastes mit Problemen im Brunnenschacht zu kämpfen hatte. Große Geröllmengen noch unter den Hölzern und Basaltstufen bezeugen einen Felsabruch von der Nordwand des Brunnens, dessen Spuren nicht völlig beseitigt wurden. Doch der Grund des Brunnens ist damit immer noch nicht erreicht. Um weitere Schäden zukünftig zu vermeiden, wurde deshalb im Rahmen der Konservierungsmaßnahmen im Palast von Qatna mit Hilfe des Auswärtigen Amtes und der Firma Bayer ein Schuzdach über dem Brunnen errichtet, welches ihn vor allem vor Regen schützen soll.
Ausgewählte Literatur: